„...Die axiale Exzentrizität des skulpturalen Körpers ruft tatsächlich den Effekt einer scheinbaren Raumdrehung hervor. Dies und die explizite Forderung, die repräsentative Ordnung zu durchkreuzen, sie aufzuheben, sind die mit der Plastik verbundenen Kernaussagen, um deren Visualisierung es Wilfried Hagebölling geht. Mit dem indifferent dunkel/bläulich/grünlich/grauschimmernden erratischen Block, der uns so nachhaltig am gewohnten Vorwärtsgehen und am Sehen hindert, rüttelt Hagebölling so heftig an den Fundamenten jeglicher Überwältigungsarchitektur, dass die eigentlich sich ausbreitende Stille um den Block herum auch wieder zerschnitten wird von der lautstarken Demonstration gegen dieses eherne gebaute Gefüge des Museums. Kunst gewinnt hier die so häufig verschüttete opponierende Kraft zurück, sie rebelliert gegen Strukturen konstruierter Macht – gleichzeitig auch gegen die Gesellschaft, die diese hervorbringt.“

Ingo Bartsch
Projekt Museum am Ostwall
Dortmund, 1992/93
Architekur des Lichthofes
Spanplatte, Blei, H 935 cm

„Der Lichthof im Museum am Ostwall ist das konstruktive Herzstück des Hauses, um das, weit geöffnet, zwei Geschosse gelegt sind. Dieser Lichthof drängt keine Bilder zurück, doch er artikuliert ebenso nobel wie deutlich den eigenen Anspruch der Architektur. Also begegnet Hagebölling ihm, durchaus dialogisch, mit dem Anspruch der Skulptur, die den Raum bricht und braucht. Die Muskelanspannung des knapp neuneinhalb Meter hohen trapezförmigen Blocks verlangt nach Widerstand, sonst geht sie klobig ins Leere und bleibt ein massiges Monument. Gerade weil Hagebölling den Bau genau kennt und seine ästhetischen Stärken analysiert, kann seine Plastik so präzis wirksam sein. Sie bricht, bei aller raumhohen, raumweiten Expansion, nicht einfach als wuchtige okkupatorische Geste ein. Sie besetzt den Hof, aber mit strategischem Kalkül. Sie basiert auf dem abgewogenen System rechter Winkel, das sich vom Grundriss über den Aufriss bis zur Doppelreihe der Durchblicke und zum Netz der Dachstreben zieht.
Also schiebt der Block sich als mächtige raumgriefende Diagonale quer durchs Carré. Weil die Diagonale von einer Ecke zur anderen reicht, wirkt sie nicht eingestellt, sondern sicher verspannt. Weil sie uns an Wänden entlang zwingt, treten Richtungen und Tiefenschübe an die Stelle des zentrierten Hofs. Weil die Längsseiten den Takt dehnen, die Schmalseiten ihn beschleunigen, unterscheiden wir zweierlei Bewegungsmaß. Weil die Skulptur uns in Schluchten und steile Raumzwickel weist, wird der Zentralraum förmlich dissoziiert. Weil die Resträume exakt kalkuliert und nicht bloß stehen geblieben sind, steigern sie sich zu einer negativen, begehbaren Skulptur: einer Folge irregulärer, dynamisch gestraffter Erfahrungsräume, im Kontrast zum vorgegebenen durchlichteten Ebenmaß. Das Geviert dreht sich um die eigene Achse, so wie Hagebölling sonst Schneisen, Passagen, Stollen torsiert und kippt. Der Störfall gewinnt seine räumliche Logik: gegen Koordinaten, Hierarchie, Symmetrie – ein Griff, der die ästhetische Konvention des Zentralraums zum Schweigen bringt, indem er sie als (notwendige) Folie nutzt.“

Manfred Schneckenburger
konzentriert dezentriert. Wilfried Hagebölling. Projekt Museum am Ostwall Dortmund.
Projekt Kunsthalle Bielefeld

Dokumentation Museum am Ostwall Dortmund und Galerie Monika Hoffmann, 1995
Texte: I. Bartsch, M. Schneckenburger, H. Schneider, M. Hoffmann, Wilfried Hagebölling

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